Brenner Nordzulauf - Zerstörung des Inntals?

 

30.000 Bürger haben die Petition "Erweiterung des Planungsumfangs zum Brenner-Nordzulauf im BVWP 2030" unterschrieben!

1. Das "Hütchenspiel" der CSU

Das Verhalten der  CSU in diesem „Trauerspiel“, ist höflich ausgedrückt, diffus bis scheinheilig. Es waren immer CSU-Verkehrsminister im Bund (Ramsauer, Dobrindt und Scheuer), die dieses Projekt vorangetrieben haben. Kurz vor der Landtagswahl 2018 in Bayern haben die CSU-Ortsverbände im Landkreis Rosenheim eine Unterschriftenaktion mit folgenden Zielen aufgelegt:

 

"Die Unterzeichner der Resolution fordern in Bezug auf den Brenner-Nordzulauf, dass

  1. die Deutsche Bahn die zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen an der Bestandsstrecke schnellstmöglich umsetzt.
  2. die Planungen zur Neubaustrecke grundsätzliche auf eine unterirdische Bauweise ausgerichtet werden.
  3. die bei einem ggf. notwendigen Neubau der Zulaufstrecke anfallenden Ausgleichsmaßnahmen finanziell abgegolten oder außerhalb des anfallenden Naturraums zur Verfügung gestellt werden.
  4. die Anbindung der Stadt Rosenheim an den Personenfernverkehr bei allen Planungen zwingend zu berücksichtigen ist

Da sollten doch eher Wähler für die CSU gewonnen werden. Die DB betont immer wieder, dass für sie die Untersuchung der Bestandsstrecke kein Thema ist. Auftraggeber der DB ist das Verkehrsministerium unter Herrn Scheuer (CSU, MdB).

Im Februar 2019 (21.02.2019) hat Herr Stöttner (MdL,CSU) folgendes im Landtag verkündet:

"Ein Brenner-Zulauf, der eine TEN-Strecke ist, macht den lokalen Betroffenen natürlich keinen Spaß. Fragen, was diese Strecke den Rosenheimern bringt, geben natürlich keine vernünftige, keine logische Antwort. Wir als Rosenheimer wollen das Beste für unsere Leute. Wir wollen, dass unsere Landschaft sich einigermaßen vernünftig weiterentwickeln kann, aber wir dürfen uns in der Politik dem nicht verschließen über Dinge zu reden, die auf uns zukommen", so Stöttner. Man müsse sich überlegen, ob man mitreden oder nicht mitreden wolle. Daher sei es dringend notwendig, dass man sich um eine verträgliche Planung kümmere. Es sei dennoch eine Bundesangelegenheit."  

Man gewinnt den Eindruck, dass hier das Prinzip “Wasch mir den Pelz, aber mich nicht nass” zur Anwendung kommt. Die CSU hatte einen starken Einfluss über ihre drei Verkehrsminister in den letzten zwei Perioden und der jetzt laufenden Periode des Bundestages. Die CSU in Bayern kann sich nicht von dem Verhalten ihrer Politiker in Berlin abkoppeln. So funktioniert aber die CSU. In Berlin und München wird unterschiedliche Politik betrieben. Auch die lokalen CSU-Ortsverbände sind hier in der Haftung. Speziell die CSU-Ortsverbände im Landkreis Rosenheim hätten schon früh gegen diese Pläne aufbegehren sollen. Leider hat sich hier mal wieder die hierarchische Struktur der CSU gezeigt – Franz Josef Strauß lässt grüßen. Aber selbst Er ist in Wackersdorf gescheitert…...   

Auch der CSU Ortsverband in Großkarolinenfeld/Tattenhausen hat die letzten Jahre den Kopf in den Sand gesteckt. Sie verließen sich auf die Beschwichtigung des noch amtierenden Bürgermeister Fessler, der in der Planungsphase, wo über hundert Trassen noch im Rennen waren, behauptete, dass es unser Gemeinde eher nicht treffen würde. Er verstieg sich zur Aussage, dass eine Neubaustrecke eher zu einer Entlastung der Bestandsstrecke führen würde, und damit der Nahverkehr gestärkt würde. Zum jetzigen Zeitpunkt hat sich diese Wunschvorstellung in Luft aufgelöst. Die derzeit fünf Trassenvorschläge haben auf das Gemeindegebiet von Großkarolinenfeld  bei allen Varianten große kastrophalen Auswirkungen. Eine Verknüpfungsstelle z.B.  in Großarolinenfeld, würde den Ort für mindestens 10 Jahre zu einer Großbaustelle verwandeln. Bürger an der Bahnlinie würde mit Enteignung oder Umsiedlung bedroht. Wer will sowas wollen? Wo bleibt der Widerstand eines Herrn Fesslers oder der lokalen CSU. Die Grünen und die PLW zeichnen sich auch durch wenig "Rückrat" in dieser Frage aus. Interessant wird, wie sich die CSU im Landkreis und in Rosenheim zu diesem Thema zur Kommunalwahl 2020 aufstellen wird. Die Oberbürgermeisterin Bauer in Rosenheim und der stellvertretende Landrat Huber (beide CSU) fanden keine Worte zu diesem Thema in ihren Neujahrbotschaften für das Jahr 2020 im OVB. Mal sehen, ob CSU – Landratskandidat Herr Lederer (MdL, CSU) die Sorgen vieler Mitbürger im Landkreis ernst nehmen wird, oder ob er die bisherige Politik der zwiespältigen Politik der CSU weiter führen wird.

Unser Landratskandidat Sepp Hofer zeigt hier klare Kante.

Er ist klar gegen zwei neue Gleise im Landkreis.

Hier seine Anmerkungen:

„Die Bestandsstrecke ist keinesfalls überlastet, im Gegenteil, es besteht sogar ein Steigerungspotential von fast 50%“

„Alles was bis jetzt geplant ist wäre eine Hauruck Aktion im Inntal und dem übrigen Landkreis. Jahrzehnte lange Baustellen machen den Tourismus und die heimische Landwirtschaft kaputt, wollen wir uns das antun?“

2. Planungsbeschleunigungsgesetz – Widerspruchsverhinderungsgesetz

Am 7.12.2018 trat das Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich in Kraft. Wie sollte es anders sein, es kam aus dem Hause des Bundesverkehrsministers Scheuer (MdB, CSU).

Bei Bahnprojekten wurde mit einem Federstrich die Zuständigkeit der Länder abgeschafft. Zuständig ist nun das Eisenbahnbundesamt (!). Man macht also den Bock zu Gärtner. Weiter entfallen Erörterungstermine bei Projekten mit Umweltverträglichkeitsprüfungen. Das Recht der Verbände zu klagen wird massiv eingeschränkt. Es gibt nur eine Klageinstanz – das Bundesverwaltungsgericht. Die Frist für Vorlage von Beweismittel der Kläger wird auf 10 Wochen beschränkt. Spätere Erkenntnisse können dann nicht mehr im Verfahren vorgelegt werden. Mit diesem Gesetz aus dem CSU Ministerium werden die Rechte der Bürger, Kommunen und anderer Beteiligter ausgehöhlt. Die Neubaustrecke zum Brenner Nordzulauf München – Rosenheim – Kiefersfelden – Grenze ist in diesem Gesetz genannt. Die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten von Betroffenen verschlechtern sich durch dieses Gesetz dramatisch. Die rechtlich nicht verbindlichen Dialogverfahren sind nur ein „Zuckerl“ fürs Publikum. Die Schweiz hat am Beispiel „Gotthard Tunnel“ gezeigt, dass mit größtmöglicher Bürgerbeteiligung (Basis-Demokratie) ein Megaprojekt im geplanten Zeit- und Kostenrahmen realisieren kann.

3. Die fünf Grobtrassen

Im Sommer wurden von der DB die fünf Grobtrassen (siehe Bilder) vorgestellt. Wie befürchtet, laufen alle durch das Gemeindegebiet von Großkarolinenfeld. Leider trifft es uns mit voller Härte. Bei den Varianten Blau und Violett kann eine Verknüpfungsstelle in Großkarolinenfeld kommen. Die Planungen für diesen Fall hören zurzeit westlich von Großkarolinenfeld auf. Die Variante Türkis würde westlich von dem Hauptort Richtung Jarezöd – Buchrein – Hilperting – Ostermünchen verlaufen. Der Bahnhof in Ostermünchen würde ausgelagert werden. Bei der Variante Gelb, die westlich von Großkarolinenfeld aus Richtung Bad Aibling kommend, wäre zwischen Gutmart und Nähe Haslau eine Verknüpfungsstelle vorgesehen. Auch bei der Variante Oliv käme es an der gleichen Stelle zu einer Verknüpfung der Bahntrassen.

Bei allen Varianten werden wertvolle landwirtschaftliche Flächen durchschnitten. Beim jetzigen Planungsstand kann keiner sagen, wie die technische Realisierung der Neubautrassen aussehen könnte. Es ist aufgrund der schwierigen Bodenverhältnisse (Seeton) zu befürchten, dass die neuen Trassen auf Bahndämmen geführt werden, da eine Trasse auf Stelzen eventuell nicht machbar ist. Wir würden also einen neuen „Limes“ (10-30 Meter hoch?) mitten durch unser Gemeindegebiet bekommen. Wer will sowas?

Tunnellösungen im Gemeindegebiet ? – Fehlanzeige. Hier soll wohl auf Kosten unserer Gemeinde gespart werden. In der frühen Planungsphase war noch eine Tunnellösung bei Buchrain vorgesehen. Dieser Tunnel wurde für die Verknüpfungsstelle  bei den Varianten Gelb und Oliv dort geopfert. Frau Daniella Ludwig (MdB, CSU) hat nach ihren Aussagen (OVB 09.12.19) dafür „gekämpft“, dass Tunnellösungen bei der Neubaustrecke vorrangig betrachtet werden. Dieser Kampf hat leider keinen Einfluss auf die Planungen der DB. Man kann sich auch fragen, welchen Einfluss Herr Bürgermeister Fessler in den Dialogforen hatte, um zumindest den Tunnel bei Buchrain zu retten. Scheinbar keinen….

Sein Credo: „ Man kann in den Dialogforen Einfluss auf die Planung der DB ausüben“ scheint ein Wunschgedanke ohne Realität zu sein. Es stellt sich die Frage, ob unser Einfluss (der Gemeinde) in Zukunft (Raumordnungsverfahren und Planfeststellung) plötzlich  größer wird. Das ist zu bezweifeln.

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4. „Kampf der Gutachter“

Zu diesem Thema wurden die letzten Jahre von den Gegnern (Bürgerinitiativen) als auch Befürwortern (Politik) diverse Gutachten erstellt. Auf der Gegnerseite sind die Bürgerinitiativen im Landkreis (https://brennerdialog.de/ und www.buergerforum-inntal.de)  sehr aktiv. Das Verkehrsplanungsbüro VIEREGG – RÖSSLER GmbH wurde von den BI’s als auch von den Gemeinden Stephanskirchen, Rohrdorf, Neubeuern und Riedering beauftragt, das Neubauprojekt zu untersuchen, und Alternativen aufzuzeigen. Die entsprechenden Studien können auf den hompages der BI’s runtergeladen werden. Auch die homepage der DB zum Berner Nordzulauf ist sehr informativ. Einzelne Persönlichkeiten wie Prof. Dr. Roland Feindor (TH Rosenheim) und Ulrich Schreiber (http://schreiber-uli.de/Blog_Inntal/) aus Neubeuern haben sich konstruktiv aber auch sehr kritisch zu diesen Projekt geäußert. Wichtigste Studie des Bundesverkerhsministerium ist die von TRIMODE Transport Solutions GmbH (https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/studie-brenner-zulauf.pdf?__blob=publicationFile). Die darin enthaltenen Prognosen bis in Jahr 2050 sind die Basis für den Planungsauftrag des Ministeriums an die DB.

 Prof. Dr. Feindor von der TH Rosenheim hat die TRIMODE Studie genauer unter die Lupe genommen (http://www.buergerforum-inntal.de/wp-content/uploads/2019/10/Anmerkungen-zur-Trimodestudie.pdf).  Er zeigt mit relativ einfachen Mitteln (Oberstufen-Mathematik), dass in dieser Studie die angenommen Grundlagen (Daten) nicht zu den Schlussfolgerungen dieser Studie passen. Hier seine Schlußfolgerungen (sinngemäß):

"Das Szenario 1 von TRIMODE ist noch nachvollziehbar (258 Züge pro Tag). Im Szenario 4 wird von einem jährlichen Wachstum (ab 2030) von 4% ausgegangen. Hier würden dann 352 Züge pro Tag anfallen. Eine optimierte Bestandstrecke würde auch hier noch ausreichen. Dieses Wachstum ist aber eher unwahrscheinlich. Allerdings ergibt sich zwingend, dass bei der Erhöhung der Zugzahlen auf der Bestandstrecke, der entsprechende Schutz der Anwohner nach Neubaustandard nötig wird. In einem weiteren Schritt setzt TRIMODE noch Eins drauf. Sie gehen von einen jährlichen Wachstum von 7% (ab 2030) aus. Selbst die VR China wäre heutzutage froh über so ein Wachstum. Zusätzlich nimmt TRIMODE an, dass der LKW-Verkehr bis 2050 auf 13.400 LKW/Tag anschwellen wird. Da die Autobahn aber nur 8.100 LKW/Tag verkraften kann, muss die Differenz 5.300 LKW/Tag auf die Schiene (158 Züge). Damit würden 588 Züge pro Tag auf der Brennerstrecke laufen müssen. Diese Anzahl von Zügen/Tag kann der neue Tunnel nicht verkraften. Es bräuchte also einen ZWEITEN Brenner Basis Tunnel! Die im Szenario 4 angenommen Gesamt-Tonnage (LKW auf Straße und Bahn) von ca. 180 Mill. t (2050) hatte massive Konsequenzen auf das gesamte Verkehrskonzept Brenner. Da 60 Mill. t auf der Schien laufen, verbliebe für die Autobahn eine Menge von ca. 119 Mill. t. Dies würde bedeuten, dass ca. 24.728 LKW Pro Tag auf der Autobahn fahren müssten, um diese enorme Menge zu transportieren.  Da die Autobahn nur 8.100 LKW/Tag aufnehmen kann, müssten statt 5.300 LKW/Tag 11.000 LKW/Tag auf die Schiene! Rechnet man das ins Gesamtbudget ein, dann wären es 2050 ca. 890 Züge pro Tag! Es bräuchte also einen dritten Brenner Tunnel! Anmerkung: In den Studien Szenario 4 und Szenario 4 plus (7% Wachstum) werden zusätzlich Umbuchungen von der Autobahn auf die Schiene von 20% angenommen."

Prof. Dr. Feindor, hat schlüssig gezeigt, wie unseriös die TRIMODE Studie ist. Dass diese Studie als Grundlage für die politische Entscheidung zur Aufnahme dieses „Wahnsinnsprojekt Brenner Nordzulauf“ in den Bundesverkehrswegeplan 2030 gedient hat ist ein Skandal. Jeder Mensch mit einigermaßen funktionierenden Verstand sieht sofort ein, dass man den gewollten anwachsenden Güterverkehr auf der Schiene von Norden nach Süden und umgekehrt nicht alleine über das Nadelöhr Brenner Basis Tunnel (400 Züge pro Tag) schleusen kann. Es braucht eine sinnvolle Verteilung der Güterverkehre über alle Alpentransite (z.B. Gotthard Tunnel). Selbst die Entlastung des Landkreis Rosenheim über Verteilung der Verkehre Richtung Brenner (Strecke München-Mühldorf-Freilassing und andere Möglichkeiten) wird das Problem mit dem Nadelöhr Brenner Basistunnel nicht auflösen. Die Wachstumsannahmen in der TRIMODE Studie sind, wie schon erwähnt, sehr optimistisch bis unrealistisch. Das Bruttoinlandsprodukt der EU ist in den letzten 10 Jahre um ca. 2% pro Jahr gestiegen.

5. Fazit

Die Lösung des Problems „Güter auf die Schiene“ kann nur in einem diversifizierten Ansatz liegen. Verteilung der Güterverkehre auf die vorhandenen Alpentransite. Entlastung des Landkreis Rosenheim durch Verzweigung der Verkehre in Bayern (z.B. München-Mühldorf-Freilassing). Modernisierung der Bestandsstrecke München-Rosenheim-Kufstein nach Neubaustandard. Deutliche Erhöhung  der Brenner Maut und der Dieselpreise in Österreich. Damit würde man den LKW Umwegeverkehr auf der Autobahn in Tirol verringern.

6. Epilog: Braucht es die Schellstrecke von Finnland nach Sizilien (TEN)?

Man muss sich die Frage stellen, wer mit dem Zug von Finnland nach Sizilien fahren würde. Wahrscheinlich würden wenige diese lange Fahrzeit auf sich nehmen. Aus unserer Sicht ist diese TEN Strecke ein politisches Prestigeprojekt, ohne wirkliche Bedarf. Kürzere Strecken (z.B. München - Frankfurt) kann man in Europa sehr gut mit den bereits bestehenden Schnellzügen (ICE, TGV, RailJet etc.) bewältigen. Bei längeren Strecken werden in der Regel doch Flugverbindungen in Anspruch genommen. Eine Neubaustrecke München – Kufstein mit 230 km/h Anforderung hat nichts mit Güterzugverkehren zu tun. Diese Züge profitieren nicht von diesen hohen Geschwindigkeiten. Am Beispiel der Schnellstrecke München – Berlin sieht man, dass dort nur schnelle Züge fahren, und keine Güterzüge. In Frankreich haben die TGV-Züge eigene Strecken. Dort könne auch deutlich höhere Geschwindigkeiten (bis zu 320 km/h) erreicht werden. Es scheint so, dass die Verlagerung des LKW Verkehrs auf die Schiene,  als Feigenblatt dienen muss, um eine Schnellstrecke TEN zu verkaufen. Die Verlagerung ist aus ökologischer Sicht notwendig, und es gäbe auch sinnvolle Lösungen, wie oben beschrieben. Die CSU-Verkehrsminister haben auf das falsche Pferd gesetzt, und sich von Prestigedenken und zweifelhaften Beratern leiten lassen. Der geplagte Landkreis Rosenheim soll es nun ausbaden.